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Toxische Beziehungen

Beziehungen sind selten einfach, aber manche sind regelrecht toxisch.

Bevor ich selber eine erlebte, war mir nicht bewusst, dass es das gibt und lange habe ich nicht verstanden, was denn eigentlich vor sich gegangen war.

Was bedeutet das überhaupt?

Eine toxische Beziehung?

Toxisch ist eine Beziehung, wenn es in der Beziehung ein offenes oder verdecktes Machtgefälle gibt. Wenn der eine den Anderen kontinuierlich verunsichert, herabwürdigt, manipuliert und sich auf Kosten des Anderen groß macht. Ich spreche hier nicht von physischer Gewalt, sondern von emotionalem Missbrauch.

Wenn jemand gewalttätig wird, liegen die Fakten klar auf der Hand. Bei emotionalem Missbrauch ist die Lage viel schwieriger zu durchschauen, zumal dann, wenn das Verhalten einer Person sich ständig verändert und meistens ist es eben immer wieder scheinbar auch sehr positiv.

Vermutlich sind alle schon einmal oder auch häufiger dem Begriff Narzissmus begegnet. Mir scheint, dass es ein recht weit verbreitetes Phänomen ist. Vermutlich ist das aufgrund des Zustands unserer Welt kein Wunder, aber ich möchte jetzt nicht in die möglichen Ursachen von Narzissmus abdriften.

In toxischen Beziehungen geht es sicher auch nicht immer um Narzissmus. Es reicht, wenn einer der beiden Partner toxische Verhaltensweisen an den Tag legt, wie auch immer man diese bezeichnen mag.

 

Was sind unsere wichtigsten menschlichen Bedürfnisse? Nach Abraham Maslows Bedürfnispyramide sind das nach den für das Überleben notwendigen wie Atmen, Essen und Trinken... Sicherheit und Verbundenheit mit anderen Menschen. Um sich mit anderen Menschen sicher zu fühlen, braucht es Vertrauen.

Wenn wir eine Liebesbeziehung eingehen, tun wir das in der Annahme, dass die andere Person vertrauenswürdig ist. Kein Mensch begibt sich bewusst und freiwillig in Gefahr. Vertrauenswürdig bedeutet allerdings auch beileibe nicht für alle dasselbe. Ich komme später darauf zurück.

 

Selten zeigen sich toxische Verhaltensweisen gleich zu Beginn und oftmals sind sie so subtil, dass sie eben lange nicht durchschaut werden. Ich denke, dass nur die, die damit schon einschlägige Erfahrungen hatten und sich damit auseinandergesetzt haben, in der Lage sind solche Signale zu deuten und rechtzeitig das Weite zu suchen.

Toxische Verhaltensweisen sind:

  1. Unsicherheit erzeugen durch sich ständig verändernde Verhaltensweisen oder Aussagen
  2. Ständiges Kritisieren, sowie verdeckte Herabwürdigungen, was das Selbstwertgefühl  untergräbt
  3. Täuschung durch das Zurückhalten wichtiger Informationen, Lügen und Unwahrheiten (story telling)
  4. Gaslighting: Jemanden dazu bringen, an seiner Wahrnehmung der Realität zu zweifeln, um eigene Ziele zu erreichen
  5. Kommunikationsverweigerung (silent treatment)
  6. fehlende Kritikfähigkeit: schuldig/verantwortlich ist grundsätzlich der andere
  7. Missachtung persönlicher Grenzen
  8. Ich-Zentriertheit bis hin zu größenwahnsinniger Selbstüberschätzung
  9. Rücksichtslosigkeit gegenüber den Bedürfnissen und Gefühlen anderer
  10. Isolierung des Partners durch Schlechtmachen dessen persönlichen Umfelds, um die alleinige Kontrolle zu haben
  11. Emotionale Erpressung: Schwächen und Ängste des Partners ausnutzen, um zu manipulieren
  12. Opferrolle einnehmen, um Mitleid zu erzeugen und volle Zuwendung zu erhalten

Jetzt könnte man denken. Na, das ist doch ganz offensichtlich und wenn sich jemand so verhält, na dann, nix wie weg. Leider verhält es sich nicht ganz so einfach. Denn es gibt oft auch die extrem andere Seite.

Den (scheinbar) liebevollen Partner, der einem die wunderbarsten Dinge sagt, unglaublich aufmerksam ist und erstaunlich oft spielt in solchen Beziehungen eine intensive gute sexuelle Beziehung eine große Rolle.

 

Hier kommen die Hormone ins Spiel.

 

Wir alle wissen, dass die Hormone Samba tanzen, wenn wir uns verlieben. Wir schweben auf Wolke 7, sind blind vor Liebe etc. Wenn es dann noch im Bett gut läuft, wird massenhaft Oxytocin ausgeschüttet. Oxytozin ist das Bindungshormon, das nicht nur für den Geburtsprozess und die Stillzeit von Bedeutung ist, sondern auch in romantischen Beziehungen dazu führt, dass es unser Vertrauen und die Empathie fördert und Stress reduziert. Es ist entscheidend für soziale Bindung und emotionales Wohlbefinden.

 

Kommt es dann zu den ersten Irritationen, die wir uns nicht erklären können, weil das Verhalten auf einmal so anders ist, wird es stressig. Cortisol wird ausgeschüttet und schlagartig fallen wir von Wolke 7 in ein tiefes Loch. Der Kontrast ist groß und daher auch der emotionale Absturz massiv fühlbar. Natürlich wollen wir, dass alles wieder gut wird, denn danach sah es doch aus und es kann doch eigentlich gar nicht sein, dass es nicht gut ist. 

 

So sind wir dann auch nur allzu empfänglich, wenn sich der Partner doch wieder versöhnlich und zugewandt zeigt. Erleichterung ist da und die ist deshalb groß, weil die Verwirrung über die so unterschiedlichen Verhaltensweisen ebenso groß war. Dopamin wird ausgeschüttet. Das Glückshormon wird freigesetzt, wenn wir positive soziale Interaktion erleben, etwas Neues erlernen, körperlich aktiv sind, Erfolgserlebnisse haben oder auch fett/zuckerreich essen. Dopamin reguliert unser emotionales Verhalten, was auch der Fall bei bestimmten Substanzen ist wie Alkohol, Nikotin, Kokain und Amphetaminen. Daher auch deren Suchtpotenzial und genau das entwickelt sich in einer toxischen Beziehung, wenn wir das Hin und Her zu lange mitmachen. Sie wird zur Sucht, aus der es sich nicht so leicht lösen lässt. 

 

Trauma Bonding nennt man dieses psychologische Phänomen. Trotz negativer Erfahrungen bleiben intensive Gefühle von Zuneigung bestehen. Der permanente Wechsel von Missbrauch und Zuneigung haben zur Abhängigkeit geführt wie die Rauschgefühle einer Droge, zu der es Abhängige in unangenehmen Nüchtern Zuständen immer wieder hinzieht. Man entschuldigt oder rechtfertigt das Verhalten des Anderen, redet es schön, verleugnet es und überzeichnet die positiven Seiten. Dankbar für jeden guten Moment, hebt man diese besonders hervor. Hinzu kommen eine immer stärker werdende eigene Verunsicherung und Zweifel an der eigenen Urteilsfähigkeit.

 

Es ist nicht einfach sich aus einer solchen Beziehung zu lösen. Man kann fast von Glück reden, wenn  der missbrauchende Partner das Interesse verliert, weil er vielleicht ein neues Objekt der Begierde gefunden hat. Meines Erachtens ist die nachhaltige Aufarbeitung kaum möglich ohne Hilfe von Außen. Zu tief ist man in das kranke Weltbild des anderen mit eingetaucht. Die Perspektive selbständig zu wechseln ist ohne den Anstoß einer neutralen Person kaum möglich, glaube ich. Oftmals ist das soziale Umfeld der Missbrauchsopfer kaum noch vorhanden, so dass es auch von dort weder Verständnis noch Unterstützung geben kann. Psychologische Beratung und Therapie können nötig sein. Je nach Intensität des Erlebten und den psychischen Folgeerscheinungen ist auch eine Traumatherapie angezeigt.

 

Was in den vielen Seiten im Netz oftmals außer Acht gelassen wird, ist der Blick auf die Ursache. Warum landet ein Mensch in einer toxischen Beziehung?

 

Unsere Partnerwahl ist maßgeblich davon beeinflusst, wie wir in unserer Herkunftsfamilie Partnerschaften vorgelebt bekommen haben und  manche Menschen begeben sich deshalb unbewusst zielsicher in toxische Beziehungen, weil es genau das ist, was sie kennen und für "normal" halten. 

Wenn der Schock über das Erkennen der toxischen Beziehung verarbeitet ist, geht es erst richtig ans Eingemachte, indem genauer hingeschaut werden darf, welche Muster man da mit sich rumschleppt und warum das passieren konnte. 

 

Es heißt zwar oft, jeder könne Opfer eines emotionalen oder auch narzisstischen Missbrauchs werden, tatsächlich aber würden Menschen mit gesunden Beziehungen in der Herkunftsfamilie nicht so leicht in die Falle tappen, weil sie emotional gut gesättigt sind und deshalb nicht so anfällig  für über die Maßen außergewöhnliche oder extrem überschwängliche Liebesbeziehungen. Auch die Einschätzung, ob jemand vertrauenswürdig ist, ist sehr davon abhängig, was wir an Erfahrungen mitbringen.

 

Der Weg der Heilung führt immer auch über den Körper. Unsere Erfahrungen sind in den Zellen unseres Körpers gespeichert, unser Nervensystem hat einiges an Turbulenzen hinter sich und wer sich derart selbst in einer Beziehung verloren hat, muss regelrecht lernen sich und seine Bedürfnisse auf allen Ebenen wieder wahrzunehmen und das aus dem Ruder gelaufene Nervensystem braucht Unterstützung, um wieder in gesunde Regulation zu kommen.

 

Das Schöne an all dem ist, so sehe ich es jedenfalls für mich, dass dieser ganze Prozess einen völlig neuen Grad an Bewusstheit ins Leben bringt. Ich kann sagen, ich habe mich durch diese Geschichte erst richtig kennen gelernt und mein Leben hat eine wesentlich höhere Qualität bekommen.

Das hat alles keinen Spaß gemacht und es wirkt nach, aber es hat mich unglaublich weiter gebracht.

Daher kann ich nur empfehlen: wenn du diesen Blog Artikel gelesen hast und du deine Beziehung auch nur annähernd in einigen dieser 12 Punkten wiederfindest. mach dich auf den Weg zu dir. Es lohnt sich und es ist zu schaffen.

 

Herzlichst, Kirsten