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Selbstmitgefühl

 

 

"Selbstmitgefühl"

 

Das war der Titel des gestrigen Online Abends. Bei der Vorbereitung habe ich darüber nachgedacht, wie lange solche Themen überhaupt schon Platz in meinem Leben haben. Eigentlich ging es lange nur um Selbstwert, weniger um Selbstmitgefühl, geschweige denn Selbstliebe.

 

Wann immer ich etwas getan habe, wirklich mir zuliebe, kam sehr schnell der Vorwurf auf, ich sei egoistisch.

Wie kommt unser Selbstwert zustande? Im Laufe unseres Lebens werden wir mit allerlei Erwartungen von Außen konfrontiert. Das fängt mit den Benimmregeln im Kleinkindalter an, geht in Kindergarten und Schule weiter und wird mit Erwartungen an unsere Leistungen und unsere Fähigkeiten immer mehr verstärkt. In dieser Gesellschaft definiert sich der Selbstwert über Erfolg und dieser wird oft gemessen am Gehalt und dem Wohlstand, der dann in Form von Kleidung, Auto, Haus und Reisen deutlich nach außen sichtbar und messbar wird.

Wir werden gemessen an den Vorstellungen der Mehrheitsgesellschaft. Wertschätzung und Anerkennung gehen damit einher, wie gut wir uns an diese Vorstellungen angepasst haben.

Sobald wir diesen Zielen nicht nachkommen wollen oder können schlägt uns Missgunst, Druck, Mitleid oder Ablehnung entgegen. Im besten Fall können wir uns davon freimachen, sind innerlich so stabil und frei, dass uns das nicht juckt, aber wer ist das schon? Wir sind soziale Wesen und angewiesen auf die Zugehörigkeit  zum "Rudel". Ohne das fühlen wir uns schnell verloren und einsam.

 

Also machen die meisten Menschen mit. Wir kritisieren uns selbst für Merkmale, die nicht der Norm entsprechen, ob es sich um körperliche und somit unveränderliche Attribute handelt oder ob es sich um Eigenschaften handelt. Wir halten und für zu langsam, zu unordentlich, zu dumm, zu unstrukturiert, zu chaotisch oder was auch immer. Wir haben schlechte Gedanken über uns, die wir oft sogar laut aussprechen: "Ich Idiot, ich hab das schon wieder vergessen", "Ich bin einfach zu dumm, ich verstehe das einfach nicht", "Wie kann man nur so zerstreut sein" usw.

Aus den schlechten Gedanken werden schlechte Gefühle. Stell dir vor, all das, was du dir selbst oft vorwirfst einem lieben Vertrauten vorzuwerfen. Würdest du das tun? In derselben Form?

Warum gehen wir mit uns und oftmals tatsächlich auch mit anderen so hart ins Gericht?

Haben wir nicht alle Schwächen, sind nicht immer gleich gut drauf und manchmal vergesslich, durcheinander oder überfordert?

 

Was passiert, wenn wir uns selbst so runtermachen (oder runtergemacht werden)? Wir fühlen uns schuldig, weil wir "Fehler" machen, weil wir den Anforderungen nicht genügen. Schuld ist ein Konstrukt, dass uns (und nochmal besonders die Frauen) spätestens seit der Bibel verfolgt. In unserer Gesellschaft wird immer nach Schuldigen gesucht, immer muss einfach jemand die Verantwortung übernehmen. Schuld zu sein ist eine schwere Last, ABER sie bezieht sich auf das Tun und Taten können korrigiert werden, man kann etwas gut machen oder eine Schuld büßen.

Anders verhält es sich mit der Scham. Vor allem die Älteren werden das kennen: "Schäm dich" oder "Du solltest dich schämen". Scham bezieht sich auf das Sein und ist somit in ihrer Wirkung auf uns viel existenzieller, vernichtender. Unser Sein scheint falsch und daran können wir viel weniger leicht etwas verändern als an unserem Handeln, vor allem wenn sich die Scham auf unsere körperlichen Merkmale bezieht. Scham entsteht immer in Bezug zum Außen. Wir schämen uns vor jemandem. Schuldig fühlen können wir uns ganz ohne den Bezug, abhängig von unseren eigenen Werten.

 

Schuld und Schamgefühle blockieren unser Selbstmitgefühl und unsere Selbstliebe.

 

Warum sind wir also so hart gegen uns selbst und andere?

Kristin Neff scheibt in ihrem Buch "Selbstmitgefühl. Wie wir uns mit unseren Schwächen versöhnen und uns selbst der beste Freund werden" dazu: „Wie wäre es, wenn unsere positiven Gefühle uns selbst gegenüber nicht aus dem Versuch resultierten, unseren Selbstwert mit Urteilen und Bewertungen zu definieren, sondern aus einer ganz anderen Quelle? Wenn sie aus unserem Herzen statt aus unserem Verstand kämen? Selbstmitgefühl versucht nicht, den Wert oder die Essenz dessen, wer wir sind, einzufangen und zu definieren, es ist kein Gedanke oder Etikett, kein Urteil und keine Bewertung. Selbstmitgefühl ist vielmehr eine Art und Weise, sich auf das Mysterium dessen, wer wir sind, zu beziehen. Statt unser Selbstbild so zu manipulieren, dass es immer angenehm ist, respektiert das Selbstmitgefühl die Tatsache, dass alle menschlichen Wesen Stärken und Schwächen haben. Statt sich in Gedanken darüber zu verlieren, ob wir nun gut oder schlecht sind, lenken wir unsere Aufmerksamkeit achtsam auf die Erfahrung des gegenwärtigen Augenblicks und erkennen dabei, dass sie sich ständig verändert und nicht von Dauer ist. Unsere Erfolge und Misserfolge kommen und gehen. Weder definieren sie uns, noch sind sie entscheidend für unseren Wert. Sie sind nicht mehr als ein Teil des Lebensprozesses. Unser Verstand versucht vielleicht, uns von etwas anderem zu überzeugen, aber unser Herz weiß. dass unser wahrer Wert in der zentralen Erfahrung liegt, ein bewusstes Wesen zu sein, das fühlt und wahrnimmt.“

 

Wie kriegen wir also die Kurve? Wir dürfen lernen uns zu beobachten. Unsere Gedanken bewusst zu erkennen und unsere Gefühle dazu wahrzunehmen. Unser Körper zeigt uns mit seinen Empfindungen den Weg. Ein wunderbar hilfreiches Buch dazu hat Vivian Dittmar geschrieben "Gefühle &Emotionen. Eine Gebrauchsanweisung".

 

Vergebung ist ein Schlüssel zu mehr Selbstmitgefühl und schließlich wahrer Selbstliebe. Vor allem sich selbst zu vergeben, sich seine Schwächen und "Fehler" zu verzeihen und sich mit Milde und Nachsicht aus dem Herzen heraus anzuschauen. Eine kleine Übung dazu kann es sein dem Ho'oponopono Song zu lauschen und dabei gedanklich nur sich selbst anzusprechen. Wir konnten das Thema Vergebung nur anreißen und so wird es das Thema des nächsten offenen Abends nach der Sommerpause im September werden.

 

Bis dahin wünsche ich allen eine gute Zeit voller Selbstmitgefühl 💚

Herzlichst, Kirsten