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Mein Baum

 

Foto von jplenio bei pixabay

 

Gestern ist mir ein Text in die Hände gefallen. Es ist eine Weile her, dass ich ihn geschriebenen habe...lange vor Corona. Irgendwie passt er für mich gerade zu dieser Zeit. Vielleicht fühlt sich von euch der/die ein/e andere auch so ähnlich?

 

Mein Baum

 

Ich zittere im Wind.

 

Mein Kleid raschelt und tanzt.

 

Wehmütig sehe ich, dass die Zeit reif ist.

 

Loslassen werde ich mein Kleid, Schicht um Schicht.

 

Es ist bunt; an einigen Stellen hell leuchtend,

 

an anderen schmuddelig, lose und löchrig.

 

Es darf jetzt fallen.

 

Auf dem Boden unter mir breitet sich ein Teppich aus

 

All meine Lieben, meine Freuden, mein Schmerz liegen dort.

 

Ein heftiger Sturm zieht mich endgültig aus,

 

reißt mir die letzten Kleider vom Leib.

 

Ich stehe nackt. Ich friere. Ich zittere.

 

Sonnenstrahlen kommen und streicheln zärtlich meine Glieder.

 

Mir wird wohlig warm. Ich bin nicht alleine.

 

Sanft wiege ich mich im Wind und atme Licht und Wärme.

 

In der neuen Freiheit strecke ich mich gen Himmel.

 

Ah….wie wohl das tut.

 

Am Boden wärmen die abgelegten Kleider meine Füße.

 

Sie bleiben, sie wandeln sich, sie nähren mich.

 

Eine neue Reise steht bevor.

 

Freude und Zuversicht breiten sich zaghaft in mir aus.

 

Ich bin bereit.

 

 

© Kirsten von den Driesch