Von der Entstehung eines Glaubenssatzes oder die Entdeckung meiner Langsamkeit

 

Mein Stressfaktor Nummer 1 ist mein Tempo.

Ich kann unglaublich schnell und effizient sein. Ich flitze von a nach b, wirbele durch die Gegend, erledige mal eben dies und dann das…quirlig nennen es die einen, energievoll die anderen… Ja, ich kann sehr energievoll sein, aber inzwischen weiß ich, dass meine Kraft aus der Ruhe kommt.

 

 

Das Tempo habe ich mir selber beigebracht, denn eigentlich war ich langsam.

 

 

Ich war ein Kind, das sich gerne hinter Büchern versteckt hat. Immer ein bisschen verängstigt (man kann auch sagen gestresst) von viel lauter Aktion um mich herum, schüchtern, in meiner Entwicklung eher langsam, gerne viel in Tagträumen, zurückgezogen in meiner Fantasiewelt, in der ich selbstbewusster und anpackender war.

 

Ich hatte damit Eigenschaften, die auf nicht viel Anerkennung im Außen trafen.

 

Im Kindergarten bekam ich die Verteilung der Frühstückstaschen nicht mit und durfte sie…zur Strafe…aus der Nachbargruppe holen, wo die anderen Kinder mich auslachten.

 

In der Grundschule stand meine Klassenlehrerin neben mir und kommentierte mein Schreiben genervt mit den Worten: „Du sollst nicht malen, sondern schreiben!“

 

Es war mir wohl klar, dass meine Langsamkeit nicht förderlich für mich war. Sie war unerwünscht. Das scheint mich sehr beeindruckt (man kann auch sagen unter Druck gesetzt) zu haben, denn nur wenige Jahre später, während einer Klassenarbeit, lautete der Kommentar meiner Deutschlehrerin: „Meine Güte, wie kann man denn so schnell schreiben?“ Ich erinnere mich noch sehr gut an den Stolz, den ich in diesem Moment gefühlt habe.

Wow, ich hatte die Aufmerksamkeit und scheinbar bewundernde Anerkennung einer Lehrerin bekommen. Das war toll!!!

 

 

Also wurde ich immer schneller… Ich schien verinnerlicht zu haben: „Ich bin gut, wenn ich meine Aufgaben schnell erledige.“

 

 

Naja, das Tempo in unserer Gesellschaft hat insgesamt stetig zugenommen, die Arbeitsdichte ist gestiegen. Als Krankenschwester habe ich viele Schichten erlebt, in denen ich keine Zeit hatte zur Toilette zu gehen, geschweige denn Pause zu machen und meine Arbeit nur im Laufschritt einigermaßen bewältigen konnte. Wenn meine Schwester, auch Krankenschwester, und ich damals in der Stadt unterwegs waren, mussten wir uns immer selber bremsen, um nicht im „Krankenschwestern Stechschritt“ auch in der Freizeit durch die Gegend zu hetzen.

 

Als Mutter Haushalt, Kinder und Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen, hat das Ganze auf die Spitze getrieben. Gefühlt bin ich förmlich durch mein Leben gerannt, aber… es hat funktioniert, ziemlich lange sogar. Wenn es allzu heftig (man kann auch sagen stressig) wurde bekam ich eine Magenschleimhautentzündung und musste vorübergehend etwas runterfahren. Danach war schnell wieder alles beim Alten. Wie auch anders? Es gab vieles zu tun, meine eigenen Ansprüche an die Qualität meiner Arbeit waren hoch (man kann auch sagen übertrieben) und der Tag hat nur 24h.

 

 

Nun denn, ich kürze ab… am Ende kam ein Burnout.

 

 

Natürlich ist das nicht einzig auf „das Tempo“ zurückzuführen, da gibt es noch einige andere Faktoren, aber das Tempo ist noch immer meine größte Baustelle. Immer wieder muss ich mich bremsen, immer wieder an mehr Langsamkeit erinnern… einen Achtsamkeitswecker stellen, um Pausen einzuhalten; zwischendurch mal 5 min meditieren; nicht zu viele Termine auf einen Tag legen oder zu viel an einem Tag abarbeiten wollen; das Staubsaugen darf auch 20 min statt nur 10 dauern etc.

 

 

Ich sage mir immer wieder „Ich bin okay, auch wenn ich langsam bin.“ Was sich über Jahrzehnte eingeschliffen hat, ist nicht mal eben so zu löschen, nur weil ich erkannt habe, was falsch läuft. Es braucht Übung, ganz gezielte, regelmäßige Übung!

 

 

Das ist nur ein Beispiel für die Entstehung von Glaubenssätzen. Sie entstehen früh in unserer Kindheit aus dem Wunsch geliebt, anerkannt, beachtet oder wahrgenommen zu werden. Wir eignen uns Taktiken an, von denen wir annehmen, dass wir damit in den Augen der Anderen besser dastehen und wir von ihnen bekommen, was wir uns wünschen. Das ist menschlich.

 

 

Wenn es um Stressbewältigung oder Burnout geht, macht man sich auf die Suche nach den Stressoren. Die im Außen sind leicht zu identifizieren, aber die inneren sind es, die wir entlarven müssen, weil sie uns im Verborgenen in der Hand haben ohne dass wir es merken.

 

Erst wenn sie uns bewusst werden, können wir gegensteuern und sie abbauen, um einen gesunden, passenderen Satz in unser Leben zu integrieren. „Aus der Ruhe kommt meine Kraft“ ist das in meinem Fall.

 

 

Was sind Ihre Baustellen?

 

Welche Glaubenssätze wirken in Ihrem Leben?

 

Welches sind Ihre verborgenen Stressoren?

 

Kennen Sie sie schon?

 

 

Wenn nicht, bin ich Ihnen gerne bei der Entlarvung und der „Sanierungsarbeit“ behilflich. Aber jetzt muss ich erstmal ganz dringend eine Pause von der Schreibtischarbeit machen 😅

 

Machen Sie es gut!