Gefühle können einen ganz schön beuteln. Achterbahn fahren ist nix dagegen. Sicher trifft das nicht auf jeden Menschen gleichermaßen zu. Manche scheinen generell nicht solche extremen Gefühlslagen zu kennen, andere finden sich ständig in aufreibenden Gefühls Auf und Abs, die sich anfühlen als säße man in einem kleinem Boot auf stürmischer See.
Wenn es die positiven Gefühle sind, sind sie herzlich willkommen. Gerne fliegen wir auf Wolke 7, am liebsten immerzu. Wenn sich hingegen Wut, Trauer oder gar Angst breitmachen, möchten wir davon so schnell wie möglich wieder weg. Die wollen wir bitteschön nicht fühlen.
Dabei sind sie alle so wahnsinnig wichtig. Alle gleichermaßen. Schauen wir uns die großen 4 an: Freude, Trauer, Wut und Angst.
Freude zeigt uns, was wir wertschätzen, wo wir uns wohl fühlen, was uns gut tut. Hier geht es lang, denken wir. Und das stimmt ja auch. Der Freude frönen wir grenzenlos. Sie darf sein. Hierzu muss nicht viel gesagt werden, es sei denn sie ist uns abhanden gekommen... wie z.B. wenn wir dabei sind in ein Burnout zu rutschen. Aber das ist hier nicht das Thema.
Wie sieht es mit den vermeintlich negativen Gefühlen Trauer, Wut und Angst aus?
Trauer zeigt uns, dass wir etwas verloren haben. Etwas, was wir geliebt oder geschätzt haben, ist nicht mehr Teil unseres Lebens. Die Trauer zeigt uns, wie wichtig dieses Etwas oder ein Jemand war und sie ist Ausdruck dieser Wertschätzung, eine Anerkennung und ein Bekunden. Trauer begleitet auch den Prozess des Loslassens, der individuell verschieden lange braucht und das darf auch so sein. Sie kann uns auch darauf hinweisen, dass wir nicht so leben, wie wir es uns wirklich wünschen und deshalb keine Freude mehr empfinden.
Sobald wir die Trauer abwürgen, weil wir sie nicht ertragen, wirkt sie im Inneren weiter, unbewusst jedoch, aber dennoch wirkt sie sowohl im Körper als auch in der Psyche. Im Tao Yoga wird das Gefühl der Trauer und des Kummers den Organen Lunge und Dickdarm zugeordnet (nach Renu Li). Die Trauer schwächt diese Organe.
Wut zeigt uns eindeutig, wo wir unsere Grenze verletzt sehen. Etwas läuft überhaupt nicht so, wie es uns gefällt oder schlimmer noch...wir fühlen uns übergangen, missachtet, verletzt. Wut setzt eine sehr starke Energie frei und die ist auch von Nöten, wenn wir uns zurecht gegen das Eindringen in unseren privaten Raum oder gegen das Überschreiten unserer Grenzen (wie auch immer die aussehen) wehren. Das "Machtwort" oder "die Faust auf dem Tisch" sind manchmal sehr hilfreich, um deutlich zu machen, wo bei uns die Grenze ist. Dennoch ist auch die Wut nicht erwünscht, weil sie oftmals allzu heftig aus uns hervorbricht und da, wo sie landet, mitunter Scherben entstehen, die wir anschließend bereuen und nicht mehr kitten können.
An sich ist die Wut aber nicht negativ. Sie zeigt uns genau, wo unsere Grenzen erreicht bzw. überschritten sind. Wie wir mit ihr umgehen, das ist ein anderes Kapitel. Leber und Gallenblase sind die Organe, die die Wut schwächt. Sprüche wie "Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?" oder "Mir kommt die Galle hoch" weisen darauf hin.. .wie überhaupt sehr viele Floskeln in unserem Sprachgebrauch auf den Zusammenhang von Körper und Psyche hinweisen.
Angst scheint allgemein das am wenigsten erwünschte Gefühl zu sein. Angst lässt uns schwach, mimosenhaft, defensiv....ja einfach klein erscheinen. "Du muss doch keine Angst haben" oder "Stell dich nicht so an" sind Sätze, die vermutlich viele aus der Kindheit kennen.
Die Angst zeigt uns auch eine Grenze. Sie steckt den Raum unserer Erfahrung ab, der sogenannten Komfortzone. Alles, was wir kennen, was uns vertraut ist, mit dem wir gewohnt sind umzugehen, befindet sich innerhalb dieser Komfortzone.
Sobald etwas Neues, oder Ungewohntes auftaucht, kriegen wir es mit der Angst zu tun. Das ist wunderbar, weil wir so Vorsicht walten lassen. Das Neue will begutachtet werden, beschnüffelt sozusagen. Die Frage ist ja, ob uns von dem Neuen irgendeine Gefahr droht. Wir müssen abschätzen, ob wir uns gefahrlos nähern können oder ob es sich empfiehlt das Weite zu suchen, im Ernstfall sogar zu kämpfen oder sich tot zu stellen. Das sind evolutionär tief verwurzelte Reaktionsmuster, bekannt als "Fight, Flight or Freeze", Kämpfe, Flüchte oder Erstarre. Auch Tiere verhalten sich so. In Sekundenschnelle entscheidet unser Organismus, was zu tun ist.
Nun sind ja nicht alle beängstigenden Situationen lebensbedrohlich und wir haben meistens Zeit zu entscheiden, wie wir reagieren wollen. Vielleicht geht es darum jemanden anzusprechen, um den Schritt ein neues Hobby zu beginnen, eine Beziehung einzugehen, den Job zu wechseln, eine größere Geldausgabe zu tätigen oder ähnliches.
Auch hier wieder, die Angst ist absolut notwendig, sonst würden wir uns ständig in Gefahren begeben, die uns schlimmstenfalls das Leben kosten könnten. Angst wirkt sich schwächend auf Nieren und Blase aus. "Ich hab mir vor Angst fast in die Hose gemacht" kennen wir alle, den Satz, oder?
Die große Frage ist, haben wir gelernt mit unseren Gefühlen umzugehen?
Und...kommt das aktuelle Gefühl, weil es der jetzigen Situation angemessen ist oder reagiere ich gefühlsmäßig so, wie ich es in einer vergangenen ähnlichen Situation auch schon getan habe?
Erinnert sich meine Psyche z.B. an eine alte Gefahr und spult ganz automatisch ein bereits bekanntes Reaktionsmuster ab? Hier kommt das Thema Trauma ins Spiel und hier ist ein sehr achtsamer (im Zweifel auch therapeutischer) Umgang mit oftmals sehr gut verdrängten, abgespaltenen Gefühlen von Nöten.
Zusammenfassend möchte ich mich hier FÜR die sogenannten schlechten Gefühle aussprechen. Sie sind ein wunderbarer Wegweiser. Sie sind Freund, nicht Feind und es lohnt sich, sich ihnen zuzuwenden und genauer hinzuhören, was sie uns zu sagen haben. Sie gehen sowieso nicht weg, auch wenn wir sie noch so sehr verdrängen. Sie wirken dann nur im Verborgenen und das schadet uns deutlich mehr, als es Kraft und Mut braucht sich den Gefühlen zu stellen.
Ich kann nur Mut machen, vor Gefühlen nicht davon zu laufen. Unser Körper und unsere Psyche danken es uns!
Weiterführende Literatur bietet z.B. Vivian Dittmar: